„Jetzt haben wir’s schwarz auf weiß: Der Bundespräsident war mittendrin statt nur dabei“, kommentiert der FPÖ-Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, diese zweite „Bombe“, die fast zwei Jahre nach der ersten heute geplatzt ist. „Ein Bundespräsident, der eine Staatskrise auf sich zukommen lässt und strategische Überlegungen dazu anstellt, wie man das größtmöglich eskalieren kann, ist aus meiner Sicht rücktrittsreif“, sagt Hafenecker. Dies umso mehr, als Van der Bellen und seine Grünen die Nutznießer dieser Staatskrise waren, denn erst durch den Sturz der türkis-blauen Bundesregierung konnten sie über die Neuwahlen wieder ins Parlament zurückkehren und schließlich sogar in die Regierung gelangen.
Jetzt gilt es, die beiden Protagonisten – Van der Bellen und Kurz – über die genauen Inhalte ihrer Hinterzimmer-Gespräche zu befragen. Dazu braucht es Ladungen vor den Untersuchungsausschuss, aber auch strafrechtliche Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Vertuschungsversuche. Es wäre nicht weiter verwunderlich, wenn in diesem Zusammenhang aus dem Mund Van der Bellens ein Satz gefallen wäre, der jüngst unrühmliche Bekanntheit erlangt hat: „Tu es für mich (und meine Grünen)!“
Mit der heutigen Veröffentlichung dieses Kalenderblatts startet die FPÖ das Projekt „Tu es für mich!“ Der Satz steht beispielhaft für Korruption, für Vertuschung, für Hinterzimmer-Diplomatie und – ganz generell gesprochen – für Unehrlichkeit gegenüber den Bürgern Österreichs. „Wir werden diese neue Webseite daher auch künftig als Enthüllungsplattform nützen, um der Bevölkerung zu zeigen, wie mit ihnen und auch mit ihrem Geld von den höchsten Repräsentanten der Republik umgegangen wird. Schon bald könnte die nächste Bombe ticken“, kündigte Hafenecker an.
In den Abendstunden des 17. Mai 2019 platzt eine politische Bombe. Die „Süddeutsche Zeitung“ und der „Spiegel“ veröffentlichen Ausschnitte des sogenannten „Ibiza-Videos“, in dem der damalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der damalige FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus stundenlang im Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin aufgenommen wurden.
Danach überschlagen sich die Ereignisse. Strache tritt am 18. Mai 2019 um 12 Uhr zurück. Eine für unmittelbar danach angekündigte Erklärung von Bundeskanzler Kurz wird immer wieder verschoben. Anstatt der gegenüber der FPÖ versprochenen Fortführung der türkis-blauen Koalition lässt Kurz am Abend – zur besten Fernsehzeit um 19.45 Uhr – die Regierung platzen, denn: „Genug ist genug!“
Nur wenig später – um 20.30 Uhr – tritt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im ORF-Fernsehen auf und kritisiert ein Sittenbild, „das unserem Land nicht gerecht wird“. – „So sind wir nicht“, wird er wenige Tage später betonen.
FPÖ-Politiker haben in zahlreichen Interviews den Ablauf dieser Tage detailliert geschildert. Kurz und Van der Bellen hingegen geben sich bis heute sehr zugeknöpft. Man gewinnt den Eindruck, die beiden seien von den Vorgängen überrascht, ja geradezu überrumpelt worden – und hätten dann blitzschnell und staatsmännisch reagiert.
Doch daran bestehen seit einiger Zeit erhebliche Zweifel. Spätestens seit bekannt ist, dass die mutmaßlichen Hersteller des Videos ihr Werk wohl in allen politischen Lagern mit Ausnahme der Freiheitlichen zu Geld machen wollten. Mittlerweile ist bestätigt, dass auch einem ehemaligen Mitarbeiter von Alexander van der Bellen Ausschnitte gezeigt wurden. Der Mann will seine Kollegen und den Präsidenten nicht informiert haben. Keinerlei Bedeutung habe man auch einer Mail beigemessen, die der mutmaßliche Haupttäter am Tag vor der Veröffentlichung an die Präsidentschaftskanzlei schickte. Man habe es zu den Akten gelegt.
Beide Vorgänge wurden erst durch ein Interview bekannt, das der Beschuldigte Julian H. am 27. Jänner 2021 der Zeitung „Der Standard“ gab. Und selbst danach fuhr das Umfeld des Bundespräsidenten eine Strategie der maximalen Vertuschung „Standard“-Journalist Fabian Schmid schrieb dazu am 2. Februar 2021:
Man nennt es Salamitaktik: Statt umfassend zu informieren, wird jeweils nur bestätigt, was sich ohnehin nicht mehr dementieren lässt.
Doch jetzt werden noch mehr Fragen auf den Bundespräsidenten – und wohl auch auf den Bundeskanzler – zukommen. Denn ein Screenshot von Van der Bellens Kalender aus der „Ibiza-Woche“ lässt massiv daran zweifeln, dass die beiden von den Ereignissen überrascht wurden.
Donnerstag, 16. Mai 2019, Nachmittag (ca. 16 Uhr)
Team-Meeting, 2 Std. Bibl.
Gerücht Sp./Süddt. Zu Strache/Gud.:
Van der Bellen Dr. Alexander
Lockl: ja Radjaby: ja Andrea: ? B.Vogel: nein
Mehr als 24 Stunden vor der Veröffentlichung des Videos sind in der Präsidentschaftskanzlei also bereits Gerüchte aufgeschlagen. Van der Bellen schart seine beiden engsten Berater, Lothar Lockl und Martin Radjabi, um sich. Ob auch die Leiterin der Präsidentschaftskanzlei, die heutige Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer, teilnehmen wird, war bei der Erstellung des Eintrags nicht bekannt.
Interessanterweise ist der Termin nur etwa zwei Stunden nach dem Eingang einer brisanten Mail in der Präsidentschaftskanzlei geplant. Der mutmaßliche Drahtzieher des „Ibiza-Videos“, der Detektiv Julian H., übermittelte am 16. Mai 2019 von einer Mailadresse mit dem Absender „fpoekorruptionoffenlegen“ ein Schreiben mit dem Betreff „Testament“ an Van der Bellens Büroleiter Oliver Korschil mit der Bitte um Vorlage an den Herrn Bundespräsidenten.
Anhand der Formulierung hätte sofort klar sein müssen, dass dieses Schreiben in Zusammenhang mit den Gerüchten stehen muss, denen das Team Van der Bellens wenig später eine zweistündige Besprechung widmen wollte. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum diese Mail selbst auf Nachfrage durch das Bundeskriminalamt nicht vorgelegt und seine Existenz erst nach dem Interview des Julian H. mit dem „Standard“ zugegeben und nun mit mehr als einem Jahr Verspätung dem Ibiza-Untersuchungsausschuss übermittelt wurde.
Aus dem Kalendereintrag ergeben sich folgende Fragen:
Freitag, 17. Mai 2019, Vormittag (ca. 10.15 Uhr)
Tel v. Kurz: Strache. /
Rund zehn Stunden vor der tatsächlichen Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ fand offensichtlich ein Telefonat zwischen dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler statt, in dem der damalige Vizekanzler Gesprächsthema war.
Aus dem Kalendereintrag ergeben sich folgende Fragen:
Freitag, 17. Mai 2019, Nachmittag (ca. 16.30 Uhr)
Telefonat mit BM Kickl (wir rufen an); (GS als…)
Das Telefonat, das zwischen dem Bundespräsidenten und dem damaligen Innenminister stattgefunden hat, wurde Medien gegenüber von Herbert Kickl bestätigt, von der Bundespräsidentschaftskanzlei jedoch dementiert. Laut Herbert Kickl ging es dabei darum, den Präsidenten über die bevorstehende Bestellung des BMI-Generalsekretärs Peter Goldgruber zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit zu informieren. Darauf deutet auch der auf den Screenshot ersichtliche Anfang des Themeneintrags hin (GS als…).
Aus dem Kalendereintrag ergibt sich folgende Frage:
Freitag, 17. Mai 2019, Abend (ca. 18.30 Uhr)
Bombe platzt: Str + Gud in Ibiza
orf
Die Beginnzeit dieses Termins stimmt vermutlich nicht exakt mit dem tatsächlichen Platzen der „Bombe“ überein. Punkt 18 Uhr veröffentlichten „Süddeutsche Zeitung“, „Spiegel“ und die Wiener Stadtzeitung „Falter“ ihre Berichte. Mit Verweis auf den ORF allerdings stimmt der Eintrag wieder. Denn nach rund einer Stunde stieg der ORF groß in die Berichterstattung ein und produzierte fortan eine Sondersendung nach der anderen.
Aus dem Kalendereintrag ergeben sich folgende Fragen:
Samstag, 18. Mai 2019, Morgen (ca. 9 Uhr)
Bespr’en wg Ibiza… ganztägig
Samstag, 18. Mai 2019, Vormittag (ca. 11 Uhr)
Kurz, Bonelli, St Steiner
Der 11-Uhr-Termin ist insofern überraschend, als es heißt, dass um 11 Uhr Strache bei Kurz gewesen sei, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen? Offenbar hat aber auch der Bundespräsident den Kanzler und seine beiden engsten Berater, Bernhard Bonelli und Stefan Steiner, empfangen oder besucht.
Aus dem Kalendereintrag ergeben sich folgende Fragen:
Samstag, 18. Mai 2019, Abend (ca. 19.30 Uhr)
Kurz in ZiB: Neuwahlen
Samstag, 18. Mai 2019, Abend (ca. 20.15 Uhr)
vdb in ZiB: …Neuwahlen…
Die Termine dürften ziemlich exakt zu den Zeiten eingetragen worden sein, zu denen Sebastian Kurz (19.45 Uhr) und Alexander Van der Bellen (20.30 Uhr) tatsächlich im ORF Erklärungen abgaben, welche die Auflösung der türkis-blauen Regierung und baldige Neuwahlen zum Inhalt hatten.
Aus dem Kalendereintrag ergeben sich folgende Fragen:
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